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Elektrosmog durch “Wasservitalisierer” / “Wasserenergetisierer” / “Wasserstrukturierer” nach Tesla und Lakhovsky im 2-m-Band – Vertrieb und Nutzung jetzt verboten

September 1st, 2020

Update March 10th, 2021: Bundesnetzagentur wird aktiv! (siehe unten)

Update March 12th, 2021: Vertrieb und Nutzung von Wasservitalisierern verboten

Update June, 16th, 2021: Allgemeinverfügung zum Verbot mit Begründung

For quite a while now, mysterious signals can be monitored around 144.015 MHz at the lower edge of the 2 m amateur band. The alleged sources seem to be devices to “vitalize”, “structure” or “energize” water. The manufacturer claims, it will make drinking water healthier and can heal a wide span of diseases from oncologic and virologic to orthopaedic kinds. As the problem is wide spread over Germany, Switzerland and Austria, I decided to write the article in German.

Seit einer gewissen Zeit können um 144,015 MHz herum, am unteren Ende des 2-m-Amateurfunk-Bandes, mysteriöse Signale beobachtet werden. Die mutmaßliche Quelle scheinen Geräte zur „Vitalisierung“, „Strukturierung“ bzw. „Energetisierung“ von Wasser zu sein. Laut Hersteller kann Trinkwasser damit angeblich gesünder gemacht und ein breites Spektrum an Krankheiten von Krebs über Virusinfektionen bis hin zu orthopädischen Problemen geheilt werden.

Störungen durch Wasserstrukturierer, Wasserenergetisierer, Wasservitalisierer nach Tesla und Lakhovsky
Typische Emissionen der “Wasserstrukturierer” in WSJT Wide Graph in einem Bereich von +/- 1 kHz um 144,015 MHz

Der Hersteller gibt eine Soll-Frequenz von 144,015 MHz an, die Signale verteilen sich jedoch auf den Bereich von 144,010 bis 144,020 MHz und scheinen von sehr einfachen Oszillatoren zu stammen. Die Frequenzstabilität ist dementsprechend sehr gering und die Träger driften oft über mehrere hundert Hz hin und her. Als Leistung werden 20 Watt angegeben, weshalb die Reichweite relativ groß ist und im Einzugsbereich des Frankfurter Flughafens sogar Reflexionen an Flugzeugen beobachtet werden können, das zeigen entsprechende Doppler-Signaturen. Kreuzpeilungen ergaben, dass Signale mit einem Pegel von 20 bis 30 dB über dem Rauschen durchaus von einer Quelle in 40 bis 50 km Entfernung ausgehen können. Dort, wo Signale im Nahbereich beobachtet werden, wird auch von einer Rauschglocke berichtet, die sich über das ganze Band erstreckt, was die Vermutung eines nicht sehr hochwertigen Aufbaus unterstreicht. Die Dauer der Aussendungen beträgt in der Regel 5 Minuten oder Vielfache davon. Allein im Rhein-Main-Gebiet scheint nach meinen Beobachtungen eine Anzahl von Geräten im höheren zweistelligen Bereich in Betrieb zu sein.

Da der Betrieb solcher Geräte im 2-m-Amateurfunk-Band nicht zulässig ist, sind bereits eine Reihe von Störungsmeldungen bei der Bundesnetzagentur anhängig. Wer solche Signale mutmaßlicher Wasservitalisierer in seiner Umgebung beobachtet, sollte nicht zögern, eine Störungsmeldung bei der Bundesnetzagentur abzugeben. Eine möglichst genaue Ortsangabe der Störquelle erleichtert dem Prüf- und Messdienst der BNetzA die Arbeit enorm. Einige Betreiber wurden auch schon ausfindig gemacht und Betriebsverbote ausgesprochen. Bei einem Preis im oberen vierstelligen Euro-Bereich ist das für die Besitzer sicher ausgesprochen ärgerlich, ganz abgesehen davon, dass nach TKG bzw. EMVG auch empfindliche Bußgelder verhängt werden können.

Abgesehen von den Störungen im 144-MHz-Band, kann bei starken Trägern sogar die zweite Oberwelle im Telegrafie-Bereich des 70-cm-Bandes um 432,045 MHz herum ausgemacht werden. Daher kann man davon ausgehen, dass die erste Oberwelle um 288,030 MHz herum, die in den Bereich des militärischen Mobilfunks fällt, ebenfalls entsprechend stark ausgeprägt ist.

Nicht außer Acht gelassen werden sollten auch potentielle gesundheitliche Risiken, wenn die Geräte körpernah eingesetzt werden, wie es in diversen Werbevideos zu sehen ist und empfohlen wird. Betrachtet man die erforderlichen Schutzabstände nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) und die zulässigen Grenzwerte nach der Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV, dann würde der zulässige Grenzwert der elektrischen Feldstärke von 28 V/m unter Annahme der angegebenen Leistung von 20 W an einem Dipol erst bei einem Schutzabstand von 75 cm eingehalten, womit sich ein körpernaher Einsatz eigentlich verbietet. In Bezug auf Herzschrittmacher müsste sogar ein Schutzabstand von mehr als 2 m eingehalten werden. So gesehen kann also durchaus eine Gefahr für die Gesundheit gegeben sein.

Nach dem Frequenzplan gemäß § 54 Telekommunikationsgesetz ist eine Frequenzzuteilung für derartige Wasserstrukturierer bzw. Wasservitalisierer auf oder im Bereich der Frequenz 144,015 MHz ausgeschlossen. Daher kann man davon ausgehen, dass es auch keine gültige EU-Konformitätserklärung gibt, die für die Anbringung eines CE-Kennzeichens am Gerät Voraussetzung wäre. Ohne gültiges CE-Kennzeichen dürfen derartige Geräte jedoch in der Europäischen Union nicht in Verkehr gebracht werden. Wer also ein solches Gerät in gutem Glauben erworben hat, tut gut daran, rechtlichen Rat zu suchen, um seinen Schaden gering zu halten.

Nach meiner Meinung sind hier skrupellose Geschäftemacher am Werk, die Geräte mit einem vermuteten Materialwert im maximal zweistelligen Bereich, die in der EU gar nicht verkauft werden dürften, zu einem Preis im oberen vierstelligen Bereich an kranke, gutgläubige und möglicherweise verzweifelte Menschen verhökern. Die, die diese Geräte dann kaufen und betreiben, wissen in der Regel gar nicht, dass das illegal ist. Genau genommen sind sie also nicht Täter, sondern Opfer. Paradox ist, dass auf vielen Internet-Seiten, wo diese Geräte angepriesen werden, gleichzeitig Produkte zum Schutz gegen “Elektrosmog” und “Handystrahlung” im Angebot sind.

Update 10. März 2021

Heute wurde im Amtsblatt der Bundesnetzagentur bekanntgegeben, dass markteinschränkende Maßnahmen nach Artikel 38 der Richtlinie 2014/30/EU i.V.m. § 23 EMVG durchgeführt wurden. Betroffen sind Wasservitalisierer des Modells Wassermatrix der Firma Wassermatrix AG aus der Schweiz.

Auf der Webseite dieser Firma sind seit einigen Wochen “Rechtliche Hinweise / Nutzungshinweise Deutschland” zu finden, die, so meine ich, an Realsatire grenzen. Hier ist (kurioserweise) unter den rechtlichen Hinweisen zu lesen, dass die Inhalte und Hinweise der Webseite den Einsatz des gesunden Menschenverstandes verlangen und dass Werbeaussagen gesetzlich zensiert seien.

Ferner ist zu lesen, dass man von der Bundesnetzagentur beauftragt sei über ein Verbot zu informieren und dass eine Nutzung nur mit geeigneter Abschirmung erlaubt sei. Da wundert sich der Laie und der Fachmann fragt sich, wie das wohl zu bewerkstelligen sei.

Im Weiteren wird ausgeführt, dass das Gerät auf einer Amateufunkfrequenz arbeitet und Funkamateure sich davon gestört fühlen (was denn sonst?). Aber das Beste hat man sich für den Schluß aufgehoben, denn Biologen und Physiker werden künftig nachweisen können, dass Amateurfunker durch Unkenntnis negativ bei den biologischen Zellen eingreifen und der negative Einfluß zur Amateurkrankheit führt. Ich hoffe, das einigermaßen wiedergegeben zu haben und im Übrigen kann jede XYL ein Lied von dieser Krankheit singen.

Update 12. März 2021

In einer Pressemitteilung gab die Bundesnetzagentur heute das Verbot von Vertrieb und Nutzung von Wasservitalisierern bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass der Spuk nun bald ein Ende hat.

Update 16. Juni 2021

Im Amtsblatt 11/2021, Seite 764, hat die Bundesnetzagentur eine Allgemeinverfügung zum Verbot der Bereitstellung, des Inverkehrbringens, der Weitergabe und der Nutzung von Wasservitalisierern der Firma Wassermatrix AG aus der Schweiz veröffentlicht.
In der ausführlichen Begründung heißt es unter anderem, dass für das Gerät eine Risikobewertung durchgeführt wurde und ein “Hohes Risiko” besteht. Die messtechnische Untersuchung ergab eine Grenzwertüberschreitung von 65,3 dB, was dem 3,4 -Millionen-fachen (!) Grenzwert entspricht.